
Quelle | Collection Cinémathèque suisse / Nachlass René Hubert |
Art | Foto¸ 20x25cm |
Ort/Datum | Hollywood¸ 1925 |
Inhalt | Gloria Swanson und René Hubert bei den Dreharbeiten zu "The Coast of Folly" (1925). Dies ist die früheste Aufnahme im Nachlass welche Gloria Swanson und René Hubert zusammen zeigt. Mit rückseitiger Beschriftung : "DISCUSSING THE MODES --- Gloria Swanson and her famous designer¸ Rene Hubert¸ from Paris¸ talk over the costumes for her new Paramount production¸ "The Coast of Folly¸" directed by Allan Dawn. The star designs all her own clothes¸ assisted by Rene Hubert. He designs sets and costumes for theaters in metropolitan cities of the world. Miss Swanson is wearing a neat sport outfit in Scotch plaid of tobasco brown." Photograph : Paramount Pictures |
Quelle | Collection Cinémathèque suisse / Nachlass René Hubert |
Art | Foto¸ 20x25cm |
Ort/Datum | Hollywood¸ 1925 |
Inhalt | Das Foto zeigt René Hubert 1925 in Hollywood. Er arbeitete in diesem Jahr exklusiv für Gloria Swanson die ihn Anfang 1925 mit nach Amerika nahm und ihn sowohl für ihre Filme als auch Privat als Kostümdesigner ihrer gesamten Garderobe engagierte. Das Foto wurde im August 1925¸ zusammen mit einem kurzen Interview mit René Hubert¸ erstmals in einer Zeitung in den USA abgebildet. |
Quelle | Collection Cinémathèque suisse / Nachlass René Hubert |
Art | Foto¸ 20x25cm |
Ort/Datum | Hollywood¸ 1926 |
Inhalt | Gloria Swanson steckt bei den Dreharbeiten zum Film "The Untamed Lady" (1926) mit ihrem Auto im Schlamm fest. Neben ihr stehend mit Hut¸ René Hubert der ihr offenbar einen weiteren Pelzmantel hält. Photograph : Paramount Pictures |
Ort/Datum | New York¸ 26. August 1926 |
Inhalt | Mit dem Luxusliner «Columbus» erreicht René Hubert am 26. August New York¸ nachdem er in Europa war. Er bringt einige von ihm kostümierte Puppen aus Paris mit¸ die im nächsten Film mit Gloria Swanson Verwendung finden sollen. Die Puppen stellen u.a. Raquel Meller¸ die Dolly Sisters¸ Yvonne Printemps und Maurice Chevallier dar. |
Quelle | The Pasadena Post¸ 3. Juli 1925 |
Art | Zeitungsbild |
Ort/Datum | Los Angeles¸ 17. Juni 1925 |
Inhalt | Gloria Swanson und ihre "Gang"¸ wie der engere Kreis um sie in den Medien auch genannt wird¸ nach der Landung mit dem Hydroplane Wasserflugboot. V.l.n.r. der Pilot St. Vern U. Ayres¸ R.M.A. USA: Mr. Gorvitt¸ René Hubert¸ Marquis Henry de La Falaise¸ Gloria Swanson und Ellard A. Banton Manager & Besitzer des Flugboots. Photograph : The Pasadena Post |
Quelle | Collection Cinémathèque suisse / Nachlass René Hubert |
Art | Foto¸ 13x18cm |
Ort/Datum | Santa Monica¸ Los Angeles¸ 1925 |
Inhalt | René Hubert¸ Gloria Swanson und Henry de La Falaise¸ bei einem Spaziergang am Stand von Santa Monica¸ Los Angeles. Henry de La Falaise¸ ein Adeliger mit dem Titel "Marquis de La Coudraye" war der dritte Ehemann Gloria Swanson's von 1925 bis 1931. |
Quelle | Collection Cinémathèque suisse / Nachlass René Hubert |
Art | Foto¸ 20x25cm |
Ort/Datum | Culver City¸ 1926/27 |
Inhalt | Das Foto zeigt René Hubert vermutlich 1926/27 während seiner Zeit bei MGM. Rückseitig eigenhändig von RH beschriftet "René Hubert einst in Hollywood". |
Quelle | Sammlung Rolf Ramseier / Nachlass René Hubert |
Art | Foto¸ 17.5x28cm |
Ort/Datum | New York¸ 1925 |
Inhalt | Autogrammfoto von Arlette Marchal an René Hubert gewidmet : "A l'autéur de ce charmant costume avec mon plus amical souvenir Arlette Marchal New York 1925". Das Kleid wurde von René Hubert exklusiv für Arlette Marchal für den La Fayette Ball in New York entworfen. Ebenfalls signiert vom Photographen E.F. Foley¸ New York. |
Quelle | Sammlung Rolf Ramseier / Nachlass René Hubert |
Art | signiertes Passepartout 26x32cm¸ mit montiertem Foto 17x21cm |
Ort/Datum | Paris¸ ca. 1930 |
Inhalt | Autogrammfoto von Danièle Parola und André Daven an René Hubert gewidmet¸ "Pour toi mon cher René avec toute notre affection André Danielle". Photograph : Madame d'Ora. |
Quelle | Daily News¸ 29. November 1925 |
Art | Zeitungsartikel |
Ort/Datum | 29. November 1925 |
Inhalt | Ausführliches Interview mit Gloria Swanson in der Daily News vom 29. November 1925. |
Schweizer Kostümdesigner
Kaum da - schon strahlender Held der Amerikaner*innen
Die Abreise aus Paris von Gloria Swanson und ihrem gesamten Tross, zu dem nun auch René Hubert gehört, ist für den 11. Februar 1925 geplant, aber Gloria erkrankt und wird in ein Spital eingeliefert. In den USA vermelden bereits erste Zeitungen den Tod des grossen Stars, was Gloria Swanson sehr amüsiert.[1] Sie darf jedoch weiterhin nur von ihrem neuen Ehemann, dem Marquis Henry de La Falaise und ihrer Maid am Krankenbett besucht werden.
Sie übergibt die Kinder in die Obhut von René Hubert, und er reist in Begleitung des Kindermädchens und einer Krankenschwester mit den beiden Kindern Gloria, vier, und dem adoptierten Joseph, zwei, an Bord des Dampfers «France» nach New York.[2] Ende Februar erreicht das Schiff den Hafen von New York, und unzählige amerikanische Medien berichten über den ganzen Kontinent hinweg über die Rückkehr der beiden Swanson-Kinder in der Obhut des Bühnenbildners René Hubert. Laut seiner Auskunft seien die Kinder nicht über den Gesundheitszustand ihrer Mutter informiert worden und «Little Gloria» hätte nur einmal geweint während der Überfahrt. Damit hat Hubert seine erste Nationwide-Schlagzeile und einige Zeitungen zeigen sogar sein Foto, betitelt mit «Rene Hubert, Beschützer von Glorias Kindern und Folies-Bergère-Designer».[3] Was die Medien nicht wussten, auch Glorias Mutter, Adelaide Burns, begleitet die beiden Kinder um diese, vor eben den ungeliebten Medien, erfolgreich abzuschirmen.[4] Hubert ist schon früh ein Medienprofi und weiss, wie er sich Journalisten gegenüber positiv in Szene setzen kann.
Hubert arbeitet seit seiner Ankunft in den USA exklusiv für Gloria Swanson, er studiert und beobachtet jede Bewegung und Pose von ihr, macht sich Notizen und Zeichnungen. Gemeinsam entsteht Kleidung, die nicht zu auffällig ist und in der sie sich jederzeit wohlfühlt, die jedoch auch die Raffinesse und den Touch ihrer eigenen Persönlichkeit haben muss, für deren Stil sie bewundert wird.[5]
Am 17. April feiert der Film «Madame Sans-Gêne» im «Million Dollar Theatre» in Los Angeles US-Premiere. Gloria Swanson erscheint in einem von René Hubert entworfenen, silbernen Kleid mit silbernem Mantel, sehr opulent, aber ohne viel Juwelen – außer ihrem goldenen Ehering und einem Schmuckstück der französischen Regierung, welches ihr für ihre Schauspielkunst verliehen wurde.
Im Sommer arbeitet Hubert mit Gloria Swanson am Film «The Coast of Folly», die Dreharbeiten finden in New York, Florida und Kalifornien statt. Am 17. Juni 1925 wird Gloria Swanson eingeladen, in einem Flugboot der Pacific Marine Airways Corporation von Catalina Island nach San Pedro zu fliegen, mit an Bord auch René Hubert, welcher als «Glorias new leading man» erwähnt wird, während der Marquis Henry de La Falaise sozusagen «nur» als Glorias Ehemann tituliert wird. Der Flug wird von Gloria Swanson als absolut herausragend beschrieben.[6] Der Fortschrittbegeisterte Hubert dürfte an diesem Hydroplane-Flug ebenfalls seinen Gefallen gefunden haben, aber es wird noch Jahre dauern, bis er vom Luxus von Kontinental- und Überseeflügen profitieren kann. Bis dahin bleiben dem reisefreudigen Hubert nur mehrtägige, anstrengende und ruckelige Zugreisen durch den Nordamerikanischen Kontinent und durchaus bedeutend angenehmere Überfahrten im Atlantik-Luxus-Liner.
Jede Frau ist schön
In einem ausführlichen Interview beschreibt Hubert, dass jede Frau schön sein kann, aber die eigene Persönlichkeit mit der Kleidung zu verbinden sei Voraussetzung. Jede Frau müsse sich ihrer Individualität bewusst sein, dann sei es einfach, die passende Kleidung zu finden. Etwas störe ihn in den USA jedoch sehr, junge Frauen benutzen viel zu viel Make-up, sodass es teilweise grotesk wirke. «Als ich mit Miss Swanson den Kontinent durchquerte, war an jeder Station, in den Städten und Dörfern eine Menge junger Mädchen zu sehen, die wie für die Bühne aufgetakelt waren. Ihre Augen waren viel zu stark geschminkt und ihre Wimpern mit einer dicken Schicht Mascara besetzt, die Gesichter wirkten hinter zu viel Puder und Kosmetik wie maskiert - und die Lippen waren wie die von Clowns. Kann Romantik, von der die Amerikaner ja so viel reden, solche Lippen wirklich überleben? Ist es möglich, einen Kuss zu teilen, ohne zu erschaudern?»
Beim Besuch eines Restaurants in Hollywood verlässt Hubert dieses schnell wieder, ohne das Bestellte zu essen. Die Mädchen, die an den Tischen warten, sind schrecklich geschminkt. Er hat das Gefühl, versehentlich in ein sehr schlechtes Haus gestolpert zu sein, in welchem in Frankreich nur die zwielichtigen Frauen sind. Ja, die smarten Frauen aus Frankreich benutzen auch Puder und Kosmetik, aber kunstvoll und bedacht.
Laut Hubert ist der schlechte Geschmack in Kleidung und Aussehen eine direkte Folge der Popularität von Filmen. «Wir sind eine Nation von Heldenanbetern und kopieren, was unsere Idole tragen und was sie tun.» Er will dies ändern und fordert Einfachheit: «Sei anders - aber sei nicht zu anders! Finde den Stil der zu dir gehört und bleib dabei. Trage ein neues Kleid in der Öffentlichkeit erst, wenn du es zuerst zu Hause getragen und dich daran gewöhnt hast. Mache dich mit deinen Kleidern vertraut, damit du fühlst, dass sie ein Teil von dir sind.» [7]
Stage Struck
Ende August trifft der New Yorker Paramount-Filmtross, bestehend aus etwa 100 Personen, für Dreharbeiten zum Film «Stage Struck» im 4500 Seelen Städtchen New Martinsville in West Virginia am Ohio-River ein. Die kleine Stadt ist von der Anwesenheit Gloria Swansons und der Filmcrew begeistert und veranstaltet einen Empfang, wie ihn keine Grossstadt hätte bieten können. Die ganze Stadt ist mit Blumen geschmückt, es gibt Musik und Ansprachen und die Menschen reisen von weit ausserhalb in überfüllten Autos an, um einen Blick auf die Swanson zu erhaschen. Die wichtigsten Leute der Filmcrew werden im Hotel untergebracht, und die restlichen Crewmitglieder werden von Einwohnern der Stadt wärmstens aufgenommen. Gloria Swanson bezieht mit dem Marquis, ihrer Maid, der Sekretärin Miss Nolan und René Hubert ein Haus in der Nähe des Hotels.
Neben einem französischen Maître und einem englischen Butler sind auch drei Hausmädchen für Gloria Swanson engagiert worden, diese treiben sich jedoch die ganze Zeit nur im Haus herum und wissen nicht wirklich, was sie zu tun haben. Auch dem Marquis und René Hubert fällt auf, dass die Mausmädchen sich ihrer Schönheit wohl durchaus sehr bewusst, aber die offensichtliche Unkenntnis ihrer Arbeit zeigt, dass sie am falschen Ort sind. Aber darüber unterhalten sich die beiden Freunde nur auf Französisch, und nach drei Tagen werden die Hausmädchen freundlich vor die Tür gesetzt, was aber sicherlich gereicht hat, um bei Freundinnen in den folgenden Wochen anzugeben. Was die Messieurs Hubert und de La Falaise aber nicht wissen, eine der drei Damen, Eugenia Adams, verstand jedes Wort der beiden, da sie als Hauptfach Französisch am College gewählt hatte.
Das Haus, das Gloria Swanson bewohnt, wird von den Einheimischen belagert, und als das Wochenende heranrückt, reisen aus einem Umkreis von 100 Meilen Tausende Schaulustige in das kleine Städtchen, und die Eingänge zum Haus müssen abgesperrt und mit «Keep Out» Schildern versehen werden. Nur für die wenigen Schritte, die Gloria vom Hotel oder zum Raddampfer «Water Queen» macht, haben Hubert, der Marquis und einige wenige Polizisten alle Hände voll zu tun, um die Schaulustigen zurückzudrängen.[8]
Für den Film braucht es auch eine grosse Picknick-Szene, und so hat der Bürgermeister kurzerhand nahezu alle Geschäfte der Stadt schliessen lassen, damit auch wirklich alle Bürger die Möglichkeit haben, an diesem einzigartigen Ereignis teilzunehmen. An den Türen der Geschäfte hängen Tafeln «Glorias Picnic – This store is closed for the day, by proclamation of the Mayor». Der Theatersaal der «Water Queen» fasst 800 Personen, und auch dieser wird mit begeisterten Bewohnern der Stadt gefüllt. Und sie machen enthusiastisch mit, sie jubeln, sie applaudieren, sie sind traurig und sie sind fröhlich, wann immer der Regisseur Allan Dwan es wünscht. Auch Gloria erfüllt dem Regisseur jeden Wunsch und verausgabt sich so sehr, dass sie eines Abends von Hubert und dem Marquis vom Boot aus den kleinen Hügel hinaufgetragen werden muss.
Gloria Swanson und die Filmcrew schätzen die Freundlichkeit der Bewohner, aber auch New Martinsville hat sich in den elf Tagen in die Filmleute und Gloria verliebt. Eugenia Adams, eine der drei vorzeitig entlassenen Hausmädchen, erhält zum 21. Geburtstag von Gloria Swanson ein edles Parfüm geschenkt welches sie mit grossem Stolz ihren Freundinnen zeigt. Einige Tage nach der Rückkehr der Filmcrew nach New York sind ein paar der jungen Mitglieder in den Paramount Studios von Long Island. Sie unterhalten sich leise, und einer von ihnen sagt plötzlich: «Weißt du was? Ich habe Heimweh nach New Martinsville, ich wünschte, wir wären wieder da.»[9]
Here she is!
René Hubert, inzwischen engster Familienfreund und ständiger Begleiter von Gloria Swanson und dem Marquis, reist mit den beiden im Oktober 1925 nach Europa.[10] Nach der Rückkehr starten die Arbeiten am Film «The Untamed Lady». Als Hubert mit Gloria und dem Marquis einen Schneider besucht, um sich die fertigen Kleider für den Film anzusehen, hält der Liftboy auf jeder Etage, ruft hinaus «Here she is!», und die begeisterten Mädchen stürmen auf die Lifttür, um einen Blick auf die Swanson zu erhaschen. Unten angekommen entschuldigt sich der Liftboy etwas verlegen: «Ich hoffe, Sie sind nicht böse auf mich, Miss Swanson. Ich hörte wie alle Mädchen über sie reden, wie wunderbar und schön sie sind, und ich dachte, sie würden sie gerne auch einmal sehen.» Gloria ist hocherfreut und versichert ihm, dass sie ihm nicht böse sei, sondern sich sogar sehr geehrt fühle. Das Gesicht des Liftboys beginnt zu leuchten vor Vergnügen, und er verbeugt und verabschiedet sich mit einer Zeremonie, wie sie sonst nur bei der Abreise eines Königs oder Präsidenten stattfindet.[11]
Hubert entwirft nunmehr die komplette Garderobe für Theater, Film und den persönlichen Gebrauch von Gloria Swanson, alle Kleider und Accessoires. Und diese sind durchaus anders als die der restlichen Frauen dieser Welt. Sie schätzt es, seine exklusiven Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, zudem sei es viel wirtschaftlicher, als einfach nur Kleidung zu kaufen in den Pariser Läden. Wenn sie eine Idee für ein neues Kleid hat, weiss Hubert sofort, was sie sich vorstellt, und entwirft jedes Kleid mit passenden Tüchern, Hüten und Accessoires.[12]
Er erstellt für Gloria Swanson ein Kostümbuch, in dem Zeichnungen von all ihren Kleidern abgebildet sind, die schon gemacht wurden, als auch von den neuen, die bald kommen werden. Gloria nimmt es morgens jeweils zur Hand und teilt ihrer Maid Marliese mit, was für den Tag bereitgelegt werden soll. Für das Mittagessen das Kleid von Seite 12, die Jacke von Seite 4, den Hut von Seite 23 und die Schuhe von Seite 40, und für den Nachmittag und den Abend wiederholt sich dieses Prozedere jeweils aufs Neue.[13]
Auch Lois Wilson nimmt Huberts Dienste mit Erfolg in Anspruch. Sie ist unzufrieden mit der ihr, von den Paramount Studiobossen zugeschriebenen netten und süssen Rolle. Sie bettelt verzweifelt und plädiert entschlossen für anspruchsvollere Rollen, aber ohne Erfolg. Also engagiert sie den cleveren Designer, den sie bereits zwei Jahre zuvor in New York bei den Dreharbeiten zu «Monsieur Beaucaire» kennen und schätzen gelernt hat, und blüht in seinen Kleidern auf, die sie strahlend und schneidig aussehen lassen, und wo immer Jesse L. Lasky und Adolph Zukor künftig hinkommen, sehen sie diese strahlende, neue Persönlichkeit. Gestärkt durch ihr neues Selbstbewusstsein droht sie die Studios zu verlassen, was dazu führt, dass ihr versprochen wird, sie nicht mehr länger auf die Rolle des Typs Dorfschullehrerin zu reduzieren.[14]
Offenbar haben Huberts Styling-Tipps für Lois Wilson auch die beiden Studiobosse beeindruckt, und so arbeitet er im Frühling 1926 erstmals an einen Film ohne Beteiligung von Gloria Swanson für Paramount Pictures. Der Film «Beau Geste» mit Ronald Colman und Alice Joyce in den Hauptrollen kommt Ende August in die Kinos. Auch am Broadway ist er wieder als Ausstatter und Kostümdesigner tätig.
Mit dem Luxusliner «Columbus» erreicht Hubert am 5. August New York, nachdem er in Europa war, um Freunde in Paris und seine Eltern und die beiden Schwestern in der Schweiz zu besuchen. Er bringt einige von ihm kostümierte Puppen aus Paris mit, die im nächsten Film mit Gloria Swanson Verwendung finden sollen. Die Puppen stellen u.a. Raquel Meller, die Dolly Sisters, Yvonne Printemps und Maurice Chevallier dar.[15]
«Hubert-Splits»
Für die Vorbereitungen zu Gloria Swansons erstem eigenen Film als Produzentin, in welchem sie auch die Hauptrolle als Opernsängerin spielt, «The Love of Sunya», reist Hubert erneut nach Paris und fertigt in der Opéra-Comique etwa 100 Fotografien an, mit denen Artdirector Hugo Ballin danach das Set-Design gestaltet. Foto- und Filmaufnahmen sind normalerweise in der Opéra-Comique verboten, und nachdem man Hubert erst die Aufnahmen verweigerte, nutzt Gloria Swanson ihre Kontakte zu höchsten französischen Regierungskreisen und erhält mit Unterstützung des Kulturministeriums die Erlaubnis, wenn auch ohne Blitzlicht, zu fotografieren.[16] Hubert fertigt Entwürfe für rund 100 Kleider[17], und um den gewünschten Glamour zu erreichen, greift Hubert zu grafischen Stoffen und Effekten. Als Gloria Swanson in ihrer Rolle als Sunya zwischen drei Männern wählen muss, trägt sie ein Abendkleid mit glänzenden Applikationen aus Edelstein und Metall. Es hat markante Schlitze am Rocksaum, die als «Hubert-Splits» in Hollywood zum festen Begriff werden.[18]
Metro-Goldwyn-Mayer
Nach den Dreharbeiten in New York zu «The Love of Sunya» reist Hubert im Dezember 1926 von der Ost- an die Westküste nach Hollywood[19] und unterzeichnet bei Metro-Goldwyn-Mayer (MGM) einen befristeten Halbjahresvertrag über 12 Filme, um für Stars wie Norma Shearer, Pauline Starke, Claire Windsor, Aileen Pringle und andere Schauspieler*innen des Studios Kleider zu entwerfen. «Viele Frauen gehen nach Paris und kaufen jedes Kleid, das dort hergestellt wurde, und halten es allein deshalb für schick, das ist ein Fehler. Es gibt in Paris genauso viele langweilige und unmoderne Kleider wie anderswo. Amerikanerinnen können nicht immer Pariser Models tragen, aber es gibt eine bestimmte Atmosphäre, welche typisch für Paris ist, und diese soll im Kino auf die Leinwand gebracht werden.»[20]
Als Kostümdesigner der MGM-Studios werden von Hubert entworfene Kleider in New York in einer Show präsentiert und ausgestellt. Weitere Modelle in der Show sind von folgenden Designer*innen und Studios: Gilbert Adrian für Cecil B. DeMille Films, André-Ani und Ethel Smallwood ebenfalls für MGM., Johanna Mathieson für Universal Film Corporation, Kathleen Kay für Fox, Cora McGeachy für First Nations und Howard Greer und Travis Banton für Paramount Pictures.[21]
In den MGM-Studios in Culver City arbeitet Hubert auch mit Marie Ree, die im Wardrobe Department als Schneiderin für die Fertigung der Kleider zuständig ist. Ree hat er bereits in den frühen 20er Jahren in Paris bei Jean Patou kennengelernt, als beide für diesen gearbeitet haben. Sie ist danach, in den 30er und frühen 40er Jahren, als Head-Cutter-Fitter bei RKO Radio Pictures angestellt und arbeitet immer sehr eng mit den Kostümdesignern zusammen. So fertigt sie 1941 bei RKO für den Film «Father Takes a Wife» auch die von René Hubert für Gloria Swanson entworfenen Kleider.[22]
Im Film «On Ze Boulevard» kleidet Hubert Renée Adorée als einfache Restaurantkassiererin und Dorothy Sebastian als attraktive «Gold Digger» ein, beide haben völlig andere Garderoben, aber beide müssen perfekt, elegant und schick aussehen. «In Amerika kann man eine ‹Gold Digger› an der Kleidung erkennen – aber in Paris kann man sie nicht von einer Herzogin unterscheiden. Als ich Miss Adorées Kleidung für ihre Rolle als Restaurantkassiererin entwarf, sagten die Leute, sie sehe zu elegant aus. Aber in Paris ist das arbeitende Mädchen genauso schick wie die blühenden Maiglöckchen.»[23]
Für den Film «Body and Soul» entwirft Hubert 12 verschiedene Kleider für Aileen Pringle, die ein Schweizer Bergbauernmädchen mit langen Röcken, engen Miedern und Musselin Blusen trägt. Es werden nur die elegantesten und raffiniertesten Stoffe verwendet, und die Stickereien sind handgemacht und bis ins kleinste Detail ausgeführt.[24]
Bei «The Wind» mit Lilian Gish zeigt sich schon früh, dass es problematisch wird, Kostüme auszuwählen, denn die Zeit des ausgehenden 19.Jh. bietet nur wenig Auswahl, und die Drehbedingungen sind extrem schwierig. Jedes Kleid muss einem Wind-Test unterzogen werden, da die meisten Szenen in einem tobenden Staub- und Windsturm spielen. Bevor ein Material ausgewählt wird, wird es mit eingeschalteten Windmaschinen fotografiert, um zu sehen ob die Stoffe die gewünschten Effekte erzielen. René Hubert und Lilian Gish beschliessen, die Kleider nicht exakt der Zeit entsprechend zu gestalten, sondern dass sie lediglich eine altmodische Zeit suggerieren.[25] Da der Film erst im Herbst 1928, mehr als ein Jahr nach Huberts Weggang von MGM, in die Kinos kommt, erhält der Designer André-Ani die Credits für die Garderobe.
Eines Tages ruft der allmächtige Louis B. Mayer, MGM-Studioboss, René Hubert in sein Büro. Dieser, gerade mit dem Entwerfen und Zeichnen neuer Kleider beschäftigt, eilt umgehend los und wird von Mayer wegen seines schmuddeligen Malerkittels angeschnauzt: «Schämen Sie sich eigentlich nicht, in diesem Anzug vor dem besten Mann des Studios zu erscheinen?»[26]
Greta Garbo
Auch mit dem neuen Star der MGM-Studios aus Schweden, Greta Garbo, arbeitet Hubert im Film «Love». Der Film ist ursprünglich mit Lillian Gish und John Gilbert geplant. Dann wird beschlossen, die Arbeiten mit Greta Garbo und Norman Kerry zu starten, und so entwirft Hubert die Kostüme für ihre Rolle als Anna Karenina. Der Film wird zu einem geringen Teil fertiggestellt, doch ein Streik von Greta Garbo um ihre Gage beendet die Dreharbeiten, und der Produzent Irving Thalberg lässt das gesamte Material einstampfen. Ein zweiter Versuch mit Ricardo Cortez in der Hauptrolle scheitert ebenfalls, ehe die Dreharbeiten schließlich mit John Gilbert und beinahe vollständiger Umbesetzung der gesamten Filmcrew neu gestartet werden.[27] Offenbar überleben auch Huberts Kleider Irving Thalbergs Kahlschlag nicht und fliegen aus dem Film, denn als Kostümdesigner des Films wird Adrian, 1927 noch Designer bei Cecil B. DeMille Films, geführt. Adrian beginnt offiziell erst im Frühling/Sommer 1928 als Designer bei MGM zu arbeiten, zusammen mit seinem vormaligen Boss Cecil B. DeMille, der Art-Director wird. René Hubert bekommt davon nicht mehr wirklich viel mit, sein Vertrag mit MGM endet bereits Mitte 1927, und er ist zum Zeitpunkt der Dreharbeiten bereits wieder auf dem Weg nach Europa. Als der Film «Love» in die Kinos kommt, wird Hubert in Zeitungsartikeln zumindest als Verantwortlicher für die Anfertigung von Reproduktionen der russischen Kronjuwelen genannt.[28]
Zurück in Paris engagiert ihn der Regisseur Leonce Perret, mit dem er bereits bei «Madame Sans-Gêne» gearbeitet hat, und Hubert entwirft prächtige Kleider – mit Blumen verziert – für Louise Lagrange, reich geschmückte Kostüme für Xenia Desni, und für Danièle Parola ein sehr amüsantes Kapitänskleidchen für den Film «La danseuse Orchidée».[29] Danièle Parola heiratet 1927 André Daven, Huberts langjährigen Freund, und so entsteht auch zwischen Hubert und Parola eine enge, lebenslange Freundschaft, welche auch Huberts Schwester Rösli einbezieht.
Zehn Gebote für die gut gekleidete Dame
Einer amerikanischen Nachrichtenagentur gibt René Hubert zehn Styling-Tipps für Frauen. Dieser Artikel verbreitet sich in den folgenden Wochen weltweit und erscheint 1927 u.a. in Zeitungen in den USA, Polen, Österreich, Deutschland und der Schweiz («Berner Woche & Allgemeine Zeitung»).[30]
René Hubert, der Modezeichner der eleganten Welt in Europa und Amerika, hat folgende zehn Gebote für die wirklich gutgekleidete Dame entworfen.
«Sei originell und versuche niemals, deine Freundinnen zu kopieren.»
«Trage nicht allzu aufgeputzt Kleider.»
«Es ist besser, eine oder zwei Toiletten zu haben, die mit dem Hut, den Schuhen und dem Handtäschchen harmonieren, als einen ganzen Schrank voll zu besitzen, zu denen die Kleinigkeiten, die ja erst eine moderne Frau ausmachen und die Gepflegtheit und Sorgfalt verraten, fehlen.»
«Glaube nie, dass du ohne Mühe und Überlegung schick sein kannst.»
«Werde trotzdem nie originell, nur um der Originalität halber.»
«Trage niemals zu viel Schmuck.»
«Und nie mehr, als zwei verschiedene Farben im Kleid.»
«Sei einfach.»
«Vergiss nie, dass du dich für die Geschmackvollen kleidest, und dass das Auffallende nur für den Geschmack derjenigen ist, die von Mode nichts verstehen.»
«Kleide dich stets individuell.»
«Und jede Dame, die wirklich Anspruch darauf macht, schick zu sein, sollte diese Worte ihrer Schneiderin ins Stammbuch heften.»
Rolf Ramseier, Mai 2021
Quelle Biografie:
[1] 250219, 1 - The Windsor Star
[2] 250226, 1 - The Daily Times
[3] 250226, 106 - Daily News
[4] Swanson on Swanson An Autobiography
[5] 250719, Page 38 - The Tennessean
[6] 250703, 3 - The Pasadena Post / 250617, 1 - News-Pilot
[7] 250813, Page 14 - New Castle News
[8] 250824, 14 - The Times Recorder
[9] 250900Photoplay Jul-Dec 1925 Page -609
[10] 251105, 4 - The Los Angeles Times
[11] 260320, Page 25 - The Minneapolis Star
[12] 251129, 211 - Daily News
[13] Interview Schweizer Fernsehen 1975
[14] 260321, 73 - The Los Angeles Times
[15] 260805, 4 - The Brooklyn Daily Eagle
[16] 261018, 32 - The Brooklyn Daily Eagle
[17] 270200Motion Picture Magazine
[18] 210305_Saalblatt Museum für Gestaltung
[19] 261210The Film Daily
[20] 261218, 6 - Los Angeles Evening Citizen
[21] 270108, 26 - The Los Angeles Times
[22] Christian Esquevin http://silverscreenmodes.com/rko-studio-wardrobes-golden-age/
[23] 270821, 12 - The Bradenton Herald
[24] 270912Hartford_Courant
[25] 281117Hartford_Courant
[26] Wir Brückenbauer, 12. März 1976
[27] https://de.wikipedia.org/wiki/Anna_Karenina_(1927)
[28] 271229Tampa_Bay_Times / 280510Springfield_Reporter
[29] 280224Paris-midi_ & Comœdia, 20 novembre 1927
[30] 270310, Page 12 - The Evening News, 270402Allgemeine Zeitung